300-jähriges Kirchenjubiläum N-Wiesen

300 Jahre Ev. Kirche Nieder-Wiesen

In Jahr 2023 feierte die Ev. Kirchengemeinde Nieder-Wiesen ein besonderes Ereignis: Das Kirchengebäude wurde 300 Jahre alt.

Am Tag Christi Himmelfahrt, dem 6. Mai 1723 wurde das neue Kirchengebäude im Rahmen einer Trauung eingeweiht, so geht es aus einer Eintragung im Kirchenbuch (Trauregister) hervor.

Kirchenvorsteher Fritz Stock und Pfarrer Tobias Kraft haben den Eintrag entziffert; der Text lautet:

d 6 f Maij Festo Ascensionis Xi, worauf zugleich hiesige neue Kirch einweyhet U. mit diesem Copulationis actu geehret worden ist Joh. Engel Lauds Bergmann bürtig von Derschen im Ambt Friedenwald, Eisenachischer Herrschafft, mit Ana Maria Schäferin von Sachsenhausen im Waldeckisch(en) nach 3 malig proklamat. öffentl. copuliret worden.

Übersetzt:

"Den 6. Mai, Fest Ascensionis (lat. = Himmelfahrt) Xi (griechisch X = Ch, die Abkürzung Xi steht für „Christi) worauf zugleich hiesige neue Kirch eingeweihet worden und mit diesem Copulationsact (= Heirat) geehret worden ist: Johann Engel Lauds, Bergmann, bürtig von Derschen (= heute noch ein Ort im Westerwald) im Ambt Friedenwald Eisenachischer Herrschaft, mit Anna Maria Schäfer(in) von Sachsenhausen im Waldeckschen (= heute noch ein Ort zwischen Kassel und Korbach) nach dreimaliger Proklamation (das Wort, welches da steht, ist die Abkürzung für Proklamation, heute würde man "Bekanntmachung" sagen) öffentl.(lich) copuliert (= verheiratet) worden."

Johann Engel Lauds muss also von der Hunolsteiner Herrschaft angeworben worden sein, um hier in den Quecksilberbergwerken zu arbeiten. Ob seine Braut mit ihm mitkam, oder ob sie schon vorher in Nieder-Wiesen wohnhaft war, bleibt offen.

Baugeschichtlich interessant ist die Tatsache, dass der Chorabschluss mit der Orgelempore erst im Jahre 1729 ergänzt wurde. Dies konnte vor einigen Jahren mittels einer dendrologischen Untersuchung des Dachgebälks festgestellt werden. Daraus geht hervor, dass das Eichenholz für das ursprüngliche Dachwerk in der Wachstumsphase 1721/22 gefällt wurde. Da Eichenholz so gut wie immer frisch verarbeitet wurde (im getrockneten Zustand lässt es sich kaum noch mit dem Beil beschlagen), ist das Dachwerk mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Jahre 1722 aufgeschlagen worden. Dies bestätigt die überlieferte Bauzeit voll und ganz.

Das Eichenholz der Verlängerung mit der Orgelempore ist erst in der Wachstumsphase 1728/29 gefällt worden, so dass die Verlängerung höchstwahrscheinlich im Jahre 1729 stattgefunden hat. Zu diesem Zeitpunkt war Pfarrer Johann Wilhelm Fresenius schon verstorben und sein Sohn Johann Philipp Fresenius amtierte in Nieder-Wiesen als Pfarrer. Die später erfolgte Verlängerung erhärtet auch die These mancher Orgelexperten, dass die Stumm-Orgel ursprünglich als Hausorgel für das Hunolsteiner Wasserschloss vorgesehen war und erst später in der Kirche aufgestellt wurde.

Bemerkenswert ist auch, dass das Eichenholz für das ursprüngliche Dachwerk eine Wachstumszeit von 165 Jahren aufweist (1556 – 1721) und das Eichenholz der Verlängerung eine Wachstumszeit von „nur“ 103 Jahren hat (1625 – 1728). Die ältesten Holzbalken unserer Kirche gehen somit zurück in die Zeit von nur 10 Jahre nach Martin Luthers Tod.

Unsere "Kirche mitten im Dorf" ist also ein Gebäude, das den Geist der Geschichte atmet und in der seit Jahrhunderten Menschen zusammenkommen, um ihren christlichen Glauben zu feiern. Sie zeigt an, wovon wir Menschen auch heute noch als Gemeinschaft voraussetzungslos leben.

So erinnert sie uns an die Generationen, die vor uns lebten; daran, dass wir nicht nur von dem leben, was wir erwirtschaften, sondern auch von dem, was die Menschen vor uns mit viel Mühe u. Sorgfalt erarbeitet haben und wofür wir dankbar sein können.

Zugleich aber möchte uns unsere Kirche ins Gedächtnis rufen, dass uns, wie allen Generationen vor uns u. nach uns, in Gottes Liebe Inhalt und Ziel für unser Leben und Sterben geschenkt ist.

Möge dies auch in Zukunft so sein, dass wir in unserer schönen Kirche Erquickung finden im Hören auf Gottes Wort und Wegweisung für unser Leben.

Der vom Kirchenvorstand berufene Festausschuss hat eine interessante Veranstaltungsreihe für das Jubiläumsjahr geplant. Schon jetzt dürfen wir Sie darauf aufmerksam machen und freuen uns auf vielfältige Begegnungen. Feiern Sie mit!

 

Dem Festausschuss gehörten an:

Harald Beck, Daniela Bösel, Theo Kallenbach, Tobias Kraft, Helga Müller, Fritz Stock;

Schirmherr für das gesamte Festjahr war:

Bodo Ramelow, Ministerpräsident des Freistaates Thüringen:

Ich freue mich schon sehr auf die Veranstaltungen rund um das 300-jährige Jubiläum der wunderschönen Kirche in Nieder-Wiesen. Mit Nieder-Wiesen verbindet mich eine lange Geschichte. Hier wurde ich konfirmiert, hier liegt meine Mutter begraben und in der Kirche wird meines Vorfahren Johann Philipp Fresenius gedacht. Allein aus diesen Gründen habe ich mich natürlich sehr gefreut, die Schirmherrschaft für das Kirchenjubiläum in Nieder-Wiesen angetragen zu bekommen. Es ist mir eine große Ehre und gleichzeitig eine wunderbare Erinnerung.

Liebe Grüße, herzlichst

Bodo Ramelow

 

In einer "philosophischen Predigt", gehalten am 05.02.2024 in der Kath. Pfarrei "Christi Auferstehnung" in Berlin geht Ministerpräsident Bodo Ramelow auf das Kirchenjubiläum in Nieder-Wiesen ein.

 
https://christi-auferstehung.net/nachlese-bodo-ramelow/

 

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